
Ich halte den Gesamtansatz der Bedingungen für Griechenland für verfehlt. Selbstverständlich muss Griechenland einen modernen funktionierenden Staat aufbauen, insbesondere in der Finanz-, Steuer- und Rechtspolitik. Korruption und Vetternwirtschaft müssen wirksam bekämpft werden. Hier muss der Schwerpunkt der Unterstützung liegen. Wachstum wird nicht durch Sparen erzielt sondern durch Investitionen. Das war auch das Erfolgsrezept für Deutschland in der Finanzkrise. Wachstumsimpulse fehlen bisher fast völlig. Das gilt es, in den folgenden Verhandlungen wesentlich stärker zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt der jetzigen Vereinbarung steht jedoch weiterhin der Abbau grundlegender Arbeitnehmerrechte, ein Sozialabbau und die damit verbundene Verelendung weiter Bevölkerungsteile. Die vorgeschlagene Privatisierungspolitik halte ich für falsch und unrealistisch. Die Umsetzung dieser Konzepte wird die Krise weiter verschärfen. Die jetzt in der EU vorgesehenen neuen Kreditlinien sollen einmal mehr fast ausschließlich der Schuldenfinanzierung dienen. Sie werden kaum den Menschen zugutekommen und vor allem nicht die dringend notwendigen Investitionen stärken.
Die bisherige „Rettungspolitik" ist gescheitert. Deshalb sollte man die Austeritätspolitik beenden und eine Korrektur der gesamten europäischen Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik anstreben. Die Verhandlungsführungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel haben der europäischen Idee geschadet. Europas Zukunft liegt nicht nur in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, sondern auch in einer sozialen und solidarischen Gemeinschaft.
Ich werde trotz schwerer Bedenken den Verhandlungen zustimmen, weil die Folgen eines Grexits für die Menschen in Griechenland und in vielen anderen europäischen Ländern deutlich schwerwiegender sind. Auch Deutschland käme der Vertrauensverlust in den Euro und in die Europäische Union teuer zu stehen.